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die endgültige Version vom 21.9.2004:

das wort ozean ist ca. 20 quadratmillimeter groß. –
kultur ist seit zirka 40 000 jahren: diesen satz zu schreiben oder zu lesen dauert keine 4 sekunden. –
mit fünf eimern dreckigen wassers rumspritzen: das papier ist immer noch trocken und sauber. –
ohne jede schwierigkeit kann ich hier sechs sibirische tiger, die gizeh-pyramide, vier leicht angefaulte
zitronen, fermats theorem, hawaii, einen pullover mit zigarettenglutloch, zwei tässchen pfefferminztee,
anderthalb kanaldeckel und drei tintenfische in einen topf tun: das geht nur so!

ich will nur sagen: es gibt KEINE beziehung zwischen dem ozean und dem WORT ozean.
AUSSER daß, wenn ich das wort schreibe, lese, sage oder höre, in meinem gehirn etwas stattfindet, was
dem ÄHNLICH ist, was dort stattfindet, wenn ich den ozean tatsächlich sehe, ihn höre, ihn rieche,
schmecke, fühle oder in ihm schaukle (denn was man ‚unsere fünf sinne‘ nennt, sind eigentlich sechs).
dieses ÄHNLICHE ding ist natürlich WENIGER als das tatsächliche ding.
und irgendwie ist es auch MEHR als das tatsächliche ding, denn die vorstellung≥≤ozean kann ich auch,
sagen wir, in einer höhle im himalaya haben, tausend kilometer vom nächsten tropfen salzwasser entfernt.

dieses ‚MEHR‘ hat etwas verführerisches…:
mal angenommen, ich habe genug papier und stifte oder die schreibmaschine mitgebracht in meine
nepalesische höhle; und eine kerze oder so was: da kann ich denn anfangen mir was einfallen zu lassen.
sagen-wir einen jungen mann, ich nenne ihn gilbert, der verliebt ist in sagen-wir kujaki. anfangs ist die
liebe eher unglücklich. aber am ende ist sie ganz ganz glücklich, oder – und da muß ich mich entscheiden
welche art von literatur es denn sein soll, aber der verlag wird mir da schon tips geben – noch viel
unglücklicher. und dazwischen machen unsere beiden jungen leute bootsfahrten und yoga-kurse, sie
treffen und trennen sich wieder, sie lesen ihre post, schreiben auf daß pfefferkörner gekauft werden
müssen, wissen genau welche bands gerade cool sind, nageln sachen an die wand, kriegen schachrätsel
nicht raus, hören den amseln zu, kochen linsensuppen, waschen ihre unterhosen, lesen „texte zur kunst“,
lassen sich bei sat.1 befragen „ist ‚adenauer‘ A} ein bayrisches gebäck, B} ein marsch von strauss, C} ein
früherer politiker, D} ein gipfel in den dolomiten?“, treffen freunde, diskutieren über flick, spielen lotto,
schlafen oft schlecht – u.s.w. u.s.f., hunderte oder tausende seiten lang.
und das ist genau das, was uns, oder mich, NICHT interessiert!
also kümmern wir mich, wenn man denn so will, um das WENIGER.
und das führt zu einem gewissen realismus, einer konkretheit.
zu schreiben oder zu lesen MIT DER LIEBSTEN VÖGELN ist sehr viel weniger als es zu tun.
zu schreiben oder zu lesen ICH STELLE WÖRTER ZU EINEM SATZ ZUSAMMEN ist sehr viel weniger
weniger. es ist nicht mehr, es ist nicht weniger, es ist es.

meine alte buch-definition – möglichst viel FLÄCHE in möglichst wenig RAUM (und das dann voller
möglichst vernünftiger LINIEN) – klingt ziemlich lächerlich in den zeiten der computer, cds, roms, dvds,
u.s.w., die – was das angeht – viel-viel-viel-fache inhaltsfähigkeiten haben. und doch habe ich – der ich
viele bücher aber auch einen kleinen computer habe – auch ein kleines problem: wenn ich in café, park,
speisewagen oder u-bahn jemanden mit einem BUCH sitzen sehe, habe ich sofort sympathische gefühle.
wenn ich an den gleichen orten jemanden mit einem LAP TOP sitzen sehe, habe ich sofort unsympathische
gefühle….

man sagt immer wieder: nur menschen haben sprache. ich glaube das nicht. ich glaube daß die meisten,
wenn nicht alle, tierarten sprache haben. jede ihre eigene, natürlich. und zwar sprache, die man auch
wirklich sprache nennen kann: also signale – ob nun töne oder gesten oder düfte oder sonstwas –, die
etwas BEDEUTEN, was etwas anderes ist als das was sie SIND, und so auch verstanden werden.

zum beispiel: papageien sind als sehr soziale wesen bekannt. und sie imitieren gern töne (um die kinder
und erwachsenen hinter den käfig-stäben zu amüsieren?, eben nicht!).
eine südamerikanische art: nach dem lauten treiben des tages schlafen sie wohl gerne in ruhe und allein.
doch wenn sie am nächsten morgen die artgenossen wiedersehen wollen, mit denen sie am vorabend
zuletzt zusammen waren, IMITIEREN sie laut die spezifischen klänge und geräusche des ortes, an dem
man zuletzt zusammen war! so findet man sich leicht wieder im optisch ja eher undurchdringlichen
regenwald. DAS MACHT SINN.

ich gebe zu: menschen sind die einzigen tiere die bücher haben.
aber SPRACHE ist auch in den ozeanen.